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07.08.2024 denkmal

denkmal baut…: Nachhaltiges Fachwerk im Naturdorf Bärnau

Nachhaltig bauen mit vorindustriellen Techniken und regionalen Ressourcen – das Naturdorf Bärnau will zeigen, wie das gelingen kann. Hier entstehen vier experimentelle Bauten für touristische Zwecke. Die Arbeit übernehmen zum größten Teil Wandergesellen, die das in Bärnau erlangte Wissen für ihren weiteren Berufsweg mitnehmen sollen. Das Ziel ist ein Umdenken in der Baukultur und der Architektursprache – für weniger industrielle Lösungen und mehr handwerkliches Geschick.

„Fachwerk ist Europa!“ Wenn Andreas Mann über traditionelle Bauweisen spricht, gerät er ins Schwärmen. Egal, ob ökologische Vorteile oder kulturelle Verbundenheit – ein Blick zurück lohnt sich aus Sicht des Steinmetzmeisters und Bildhauers. Er ist die treibende Kraft hinter dem Projekt „Naturdorf Bärnau“, ein Bauprojekt für vier Fachwerkhäuser mit mittelalterlichen Techniken und regionalen Materialien. Angegliedert ist das Projekt am Geschichtspark Bärnau-Tachov, ein großes mittelalterliches Freiluft-Museum an der bayrisch-tschechischen Grenze, in dem Besucher das tägliche Leben längst vergangener Jahrhunderte nachvollziehen können. Seit 2017 wird dort an einer archäologischen Burgbaustelle gearbeitet – eine Idee, die Andreas Mann auf seiner damaligen Walz in die Oberpfalz verschlagen hat. Als der Trägerverein plante, vier Tiny Houses für touristische Zwecke bauen zu lassen, meldeten sich die Wandergesellen um Mann und setzten sich dafür ein, das Projekt größer zu denken. Gesagt, getan – mit dem Ziel vier experimentelle Bauten nach historischer Bauweise und damit gleichzeitig klimaneutral zu schaffen, machten sich die Wandergesellen an die Arbeit.

Die Voraussetzungen waren bestens, denn die Region um Bärnau steckt voller Baustoffe, allen voran Holz. Der Lerneffekt setzte schnell ein, erklärt Andreas Mann: „Früher haben eigentlich alle Kulturen ähnlich gebaut– vor der Industrie bestanden die Häuser aller Kulturen aus Holz, Kalk, Stein, Lehm und einem Faserstoff. Das konnten wir alles hier beschaffen und haben darauf geachtet, dass alles möglichst nicht industriell vorverarbeitet ist. So konnten wir die graue Energie – die heute vor allem in Form von fossiler Energie entsteht– niedrig halten und mit menschlicher Arbeitskraft ersetzen, also einer erneuerbaren Energie.“ Ganz im Sinne des Handwerks wurde viel experimentiert, um den Bau zu realisieren. So wurde etwa das Fundament nicht mit Zement gegossen, sondern auf Grundlage von römischem Beton errichtet – also Kalkstampfmörtel. Dieser wiederentdeckte Ansatz wird nachträglich wissenschaftlich untersucht. Für Materialwissenschaften arbeitet das Naturdorf eng mit der OTH Regenburg zusammen, auch die OTH Amberg-Weiden begleitet die Baustelle als innovativer Lernort und lässt Studierende sowohl den nachhaltigen Bauansatz als auch das mittelalterliche Leben im Dorf beobachten. „Genau das macht Dinge ja erst denkbar – Menschen müssen Erfahrungen machen, um ihr Verhalten zu ändern. Der 15. Artikel darüber, wie schlecht alles ist, löst oft noch nicht den Drang aus, selbst aktiv zu werden“, beschreibt Andreas Mann den interaktiven Ansatz.

Inzwischen stehen vier Rohbauten in abgestufter Fertigstellung auf dem Gelände. Während beim Ersten teils schon Dämmung und Elektro-Installation durch sind, steht für das Letzte bisher nur das Fachwerkgerippe samt Dach. In zwei Jahren könnte alles bezugsfertig sein – wie so oft, steht das aber nicht in Stein gemeißelt. Zuletzt erlebte das Naturdorf einen Baustopp, da die Kosten ungeplant gestiegen sind und zunächst neue Investoren gefunden werden mussten. Arbeiteten in der Spitze bis zu 14 Wandergesellen auf der Baustelle, hält Andreas Mann derzeit als Bauleiter allein die Stellung. Das wird sich aber bald ändern, neue Mittel sind auf dem Weg – teils durch Investoren, teils durch eine Landesförderung – und im Herbst wird weiter gebaut. Für den Winter sucht der Steinmetz bereits Unterstützung: „Die großen Zimmereiaufgaben sind erledigt. Jetzt geht es darum, Möbel zu bauen. Schreiner, die Vollholzmöbel bauen wollen, sind also gern gesehen und können gleichzeitig bei uns lernen. Das gleiche gilt für Lehm- und Kalkputzer.“ Arbeitsleistung anbieten, Erfahrungen mitnehmen – das ist nicht nur Grundgedanke der Wanderschaft, sondern auch gelebte Praxis im Naturdorf.

Letztlich will Andreas Mann und das Architekturbüro Schönberger auch die Baukultur nachhaltig beeinflussen und zum Umdenken anregen. Geht es nach ihm, hat die industrielle Bauweise Gebäuden ihre Einzigartigkeit, „ihre Seele“ geraubt. Statt „form follows function“ solle der Ansatz viel eher heißen „form follows technology“, so Mann: „Die Arbeit mit Naturbaustoffen fördert eine neue Architektursprache und regt zum Nachdenken an, auch mit weniger Perfektionismus zufrieden zu sein. Das gibt Raum für handwerkliche Gestaltung und bedeutet nicht zwangsweise einen Verlust, sondern auch einen Gewinn – vor allem im ländlichen Raum!“ Dort biete sich die Chance für eine neue Wertschöpfung durch den Einsatz von regionalen Ressourcen. Häufig würden industrielle Lösungen auch nicht zur Bausubstanz in alten Ortskernen passen – die Gebäude in Stand zu setzen, sei aber essenziell, damit der ländliche Raum wieder attraktiver wird und in den Städten nicht mehr so viel gebaut werden muss. Noch ist der Ansatz, wie er im Naturdorf praktiziert wird, zu arbeitsintensiv und kostspielig, um im großen Stil realisiert zu werden, räumt Andreas Mann ein. Doch serielle Lösungen wie etwa Strohlballenbauten mit Holzrahmen sind denkbar und Projekte wie das Naturdorf helfen, Grundlagen für solche Lösungen zu schaffen. Ein ständiger Austausch in der Branche ist dafür entscheidend – umso mehr freut sich auch Andreas Mann auf die denkmal und die Möglichkeit, neue Impulse für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Denkmalpflege sowie Altbausanierung zu setzen und zu erfahren.

Neugierig geworden? Das Projekt Bärnau und das Team ist erstmals auch auf der denkmal im November zu bewundern.

Foto: Naturdorf Bärnau
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