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denkmal erkundet…: Eine historische Erfinder-Werkstatt im Herzen von Leipzig
Der Kunst- und Gewerbehof HP 7 im Graphischen Viertel von Leipzig ist ein Beispiel für gelebte Denkmalarbeit im Ehrenamt. Menschen aus Kunst, Kunsthandwerk und anderen Gewerken haben hier ihre Werkstätten und wollen ihre berufliche Heimat als Kulturort etablieren. Zu diesem Zweck wurde vor drei Jahren der hp_sieben e.V. ins Leben gerufen. Im heutigen denkmalbrief stellen wir die Initiatorin des Vereins vor und erfahren mehr über die bewegte Geschichte einer faszinierenden Werkstatt.
Etwas versteckt zwischen zahlreichen Baustellen entstehender Neubauten, bereits fertigen Design-Häusern und aufwändig sanierten Altbauten findet sich im Leipziger Stadtteil Zentrum-Ost ein besonderes Gebäude. Eine schmale Einfahrt, an deren Seite noch Reste alter Dachschalung liegen, führt in einen engen und unscheinbar wirkenden Innenhof. Das Denkmalschild am Eingang des Innenhofs deutet aber bereits darauf hin, dass hier mehr als die laut hörbare Tischlerei zu finden ist. Kirsten Lauterwald, gelernte Diplom Möbel-Restauratorin, zeigt den Weg in die Etage über der Tischlerei. „Johannes Hammer – wissenschaftliche Apparate“ weist ein Schild auf die nächststehende Tür, hinter der eine Zeitreise beginnt. „So etwas wie diese Werkstatt hier, gibt es nicht noch einmal in Leipzig – und nur ganz selten in Deutschland“, verrät Lauterwald. Der nächste Raum entpuppt sich als Empfangszimmer im Chic der Vorkriegszeit. Es ist der Eingangsbereich für die ehemalige Werkstatt von Johannes Hammer. Der Ingenieur und Erfinder übernahm die frühere Druckerei in der Hans-Poeche-Straße und baute dort seine Werkstatt für wissenschaftliche Apparate auf. Mit Erfolg wurden die dort entstandenen technischen Geräte in ganz Europa und sogar bis Südamerika exportiert. Jedoch starb der Erfinder 1943 während des Luftwaffenangriffs auf Leipzig. Plötzlich stand seine Tochter Christa vor einer großen Entscheidung – das Erbe und die Werkstatt annehmen oder nicht.
Die damals 19-Jährige entschied sich, die väterliche Werkstatt zu übernehmen und hielt sie bis 1993 am Leben. Sie übernahm die Verantwortung für rund 100 Angestellte, absolvierte eine Ausbildung zur Feinmechanikerin, sicherte sich den Meister-Titel und wurde zur studierten Ingenieurin. Als die Produktion von Uhren, Messgeräten und medizinischen Geräten endete, hielt sie das Gebäude mit den nötigsten Arbeiten in Stand. 2009 zog schließlich Kirsten Lauterwald mit ihrem Restaurierungsatelier ins Gebäude ein. „Damals war eigentlich schon alles rundherum leergeräumt“, erinnert sich Lauterwald. Christa Hammer ließ sie trotzdem hinein und legte damit den Grundstein für die weitere Nutzung des Gebäudes. Bevor sie starb, sicherte sie Kirsten Lauterwald ein Vorkaufsrecht für das Gebäude zu – dieses nutzte sie letztlich auch, aus ureigenem Interesse, wie sie sagt: „Ich wollte nicht nur meine Werkstatt hier behalten – ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie die historische Werkstatt Hammer in andere Nutzung geht oder die Geräte im schlimmsten Fall noch auf dem Schrottplatz landen.“ Alleine wäre das nicht möglich gewesen – erst die Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mit einem kurzfristigen Kredit machte aus dem Wunsch im September 2020 die Realität. Auch die neue Hausbesitzerin zeigte volles Engagement und absolvierte extra ein Architekturstudium, um bauphysikalische Zusammenhänge besser zu verstehen, Pläne fertigen zu können und so letztlich auch Kosten bei der Sanierung zu sparen.
Inzwischen arbeiten 35 Menschen in der Hans-Poeche-Straße 7 – neben einer Tischlerei gibt es auch eine Werkstatt für Siebdruck, ein Künstlerinnen-Atelier, ein Fotoatelier, Arbeitsräume für Filmschaffende und eine sogenannte Grafik-WG. „Hier und da reibt man sich mal – aber das bereichert und alle bringen sich ein“, betont Lauterwald, die 2021 mit einigen Unterstützern den Verein hp_sieben gegründet hat, um das Gebäude weiter instand zu setzen und einen Kultur- und Arbeitsraum zu bieten, der von den rasant steigenden Mieten im Umfeld eine Ausnahme bildet. Derzeit wird vor allem das Dach saniert. Während die Vereinsmitglieder alle mit anpacken, sollen Veranstaltungen im Haus und im Hof helfen, die Finanzierung zu stemmen und das Projekt bekannter zu machen. Dafür wurde der 230 Quadratmeter große Raum über der historischen Werkstatt der Familie Hammer hergerichtet. Kunst und Kultur sollen hier noch stärker ein Zuhause finden, doch nicht alles ist realisierbar. „Hier im Haus sind alle nah beieinander – darauf muss man genauso Rücksicht nehmen, wie auf die Bausubstanz“, räumt Lauterwald ein. Trotzdem ist sie optimistisch, dass das HP 7 als kreative Oase zwischen Neubauten und Spekulationsobjekten bestehen kann.
Das denkmal-Team hat sich bereits im Dezember einen Eindruck davon gemacht, wie die Räumlichkeiten des HP 7 genutzt werden können und nahm in der Vorweihnachtszeit an einem Siebdruck-Workshop teil.