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denkmal lernt…: Metallbildner Toni Lorenz im Gespräch
„Wer die Vergangenheit nicht versteht, kann die Zukunft nicht steuern“ – mit dieser klaren Meinung setzt sich der 27 Jahre alte Toni Lorenz für sein Handwerk und dessen Wirkung nach außen ein. In einer von sozialen Medien geprägten Welt sieht der Metallbildner sowohl die Herausforderungen seiner Kolleginnen und Kollegen, Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit zu generieren, als auch die Chancen, die sich dem Handwerk bieten. Zudem wirbt er für mehr Individualität auf dem Bau.
Sein beruflicher Weg war eigentlich vorgezeichnet. Seit 1926 steht der Name Paul Lorenz für Leuchten der obersten Güteklasse und individuelle Handwerkskunst. Seit 1990 fokussiert sich die Firma, die heute in dritter Generation von Mario Lorenz geführt wird, auf die individuelle Neuherstellung, historische Rekonstruktion und Restaurierung von Objektleuchten und leistet damit einen wertvollen Beitrag für die Denkmalpflege. Toni Lorenz könnte das Familienunternehmen von Vater Mario übernehmen und in vierter Generation weiterführen. Auch wenn das heute ein sehr wahrscheinliches Zukunftsszenario ist, war das nicht immer so klar, sagt der 27-Jährige: „Ich wollte im Betrieb einsteigen, auch wenn es hier und da mal andere Ideen gab. Vor allem in der Lehre wurden da von außen auch schon große Steine in den Weg geworfen, wo ich mich durchkämpfen musste.“ Eine Erfahrung, die ihn nachhaltig geprägt hat – heute betont der Metallbildner wie wichtig es ist, in der Lehre Fehler machen zu dürfen und diese als Teil der handwerklichen Ausbildung zu begreifen. Widerstände zu überkommen und daran zu wachsen – das sollte das Ziel sein: „Man kann nicht immer den leichtesten Weg nehmen, jeder Job hat seine Schwierigkeiten. Ich weiß jetzt, dass jedes Problem lösbar ist und diese Klarheit hat mich in meiner Job-Wahl nur bestärkt“. Das versucht er auch an Interessierte in der familiären Werkstatt weiterzugeben, wenn sie in den Betrieb schnuppern. Hier bemerkt er frisch nach der Schulzeit noch eine große Angst bei jungen Menschen an der Werkbank. Drehen sie die Schraube zu fest, könnte das ganze Bauteil kaputt gehen und im schlimmsten Fall entstehen hunderte Euro Schaden. Auch ihm sei das bei den ersten Lötversuchen passiert – doch die Erfahrung, wie belastbar Bauteile sind, muss man selbstständig machen, betont Lorenz.
Für Verständnis wirbt der junge Profi auch bei den Partnern auf der Baustelle. Das sei auf planerischer Seite nicht immer so stark ausgeprägt, wie er sich das als Handwerker wünscht. „Manche Zeichnungen sind vielleicht schön anzusehen, aber in der Realität schwer umzusetzen. Wir brauchen dann einen Mittelweg und hier muss man sich als Handwerker auch mal den Respekt erarbeiten. Wir sind keine Roboter, die auf das Tausendstel genau arbeiten – aber wir können Probleme individuell lösen und wenden Techniken an, die so gar nicht mehr gelehrt werden. Hier gilt: Wer die Vergangenheit nicht versteht, kann die Zukunft nicht steuern“, erklärt Lorenz. Seine Familie ist das beste Beispiel. Oft arbeitet die Firma in einzigartigen denkmalgeschützten Gebäuden und steht bei der Restaurierung vor kniffligen Aufgaben. Wenn das Wissen in keinem Buch zu finden ist, muss experimentiert werden. Während der Arbeit an der Neuen Synagoge in Görlitz etwa habe man viele Formen prägen müssen, um die gewünschte Qualität zu erreichen. Eine Bastelstube für Problemlösung nennt Lorenz diese Herangehensweise. Diese Individualität begreift er als das größte Pfund der Branche. Im Handwerk werde noch so gearbeitet, dass die Teile für mehrere hundert Jahre bestehen können – auch wenn das im Aufwand und eingesetzten Material erstmal teurer wird, sei das auf lange Sicht die nachhaltigere Lösung. Denkmalpflege bedeutet die Bewahrung von baulicher Substanz und die Anwendung von traditionellen Techniken – das ist Nachhaltigkeit, wie so oft gefordert wird, so Lorenz.
Dass diese Techniken auch künftig noch Verwendung finden, ist derweil alles andere als sicher. Das Handwerk steuert auf große Herausforderungen in Sachen Nachwuchs zu, außerdem ändern sich die Bildungswege, wie Toni Lorenz am eigenen Leib erfährt. Er studiert in Potsdam Konservierung und Restaurierung für Metall, um Restaurator zu werden – die Meisterqualifizierung für Metallbildner, die sein Vater Mario noch erreichte, gab es für ihn schon gar nicht mehr. „Wenn wir nicht mehr lehren, was im Handwerk eigentlich geht, dann geht nicht nur das Wissen, sondern auch die Machbarkeit verloren“, sagt Toni Lorenz. Aus diesem Grund versucht er sein Wissen noch während des eigenen Studiums weiterzugeben und bereitet mehrere Kurse für die neu aufgelegte höchste Fortbildung des Restaurators im Metallbauerhandwerk vor. Dozent zu sein, versteht er als seinen Beitrag, um das in seinen Augen stiefmütterlich behandelte Metallhandwerk besser zu repräsentieren.
Als wäre die Zeit neben Studium, Arbeit und Lehren nicht ohnehin schon knapp genug, will Toni Lorenz auch soziale Medien stärker für den Familienbetrieb erschließen. Auf die Idee habe ihn eine Statistik gebracht, die gezeigt hat, wie viel Zeit junge Menschen an ihrem Handy verbringen. Das biete viel Potenzial, um auf die eigene Arbeit aufmerksam zu machen und gleichzeitig den Prozess des Handwerks nachzuvollziehen. Von der Zeichnung bis zum hochwertigen Endergebnis steckt viel Zeit und Arbeit drin – das sollen sowohl Auftraggeber als auch Follower in kurzen Clips erleben können, dafür habe der Betrieb einen Dienstleister angestellt. Denn Videos drehen und schneiden sei neben der normalen Arbeit nicht machbar, räumt Lorenz ein – auch wenn es viel Spaß mache. Damit will er auch andere Handwerker inspirieren: „Ich sehe in den sozialen Medien riesiges Potenzial für kostenlose Werbung. Betriebe, die sich darauf spezialisieren, haben eine echte Chance im nationalen Wettbewerb eine Vormachtstellung zu erlangen. Für puristische Handwerker kann das ein echtes Alleinstellungsmerkmal sein.“ Mit den richtigen Themen ist die Wirkung immens. Ein erster eigener Testballon war die Dokumentation von einer Deckenbeleuchtung mit scheinbar fliegenden Kerzen im Stil von Harry Potter – 40.000 Menschen habe man damit weltweit erreicht, berichtet Toni Lorenz.
Trotz aller Online-Aktivitäten – der direkte Austausch ist nicht zu ersetzen, sagt der Metallbildner. So will er künftig auch noch stärker im Verband der Restauratoren (VDR) sowie an der Lehre des Restaurators im Handwerk mitwirken und sucht den Austausch mit Planern oder dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz. Auch die denkmal als Europäische Leitmesse spielt für den 27-Jährigen eine entscheidende Rolle. „Hier kommt die ganze Branche zusammen – eine Fachgemeinde, die doch sehr speziell ist. Das internationale Spektrum ist groß und macht die Messe so spannend“, sagt Lorenz, der mit seiner Familie einen Messestand haben wird. Das Ziel ist hier langfristig Image und Bekanntheit aufzubauen, aber auch das Handwerk zu zeigen. Das liegt der Familie Lorenz – eine der begehrten denkmal Goldmedaillen aus dem Jahr 2006 für Vater Mario ist der beste Beweis dafür.