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24.06.2024 denkmal

denkmal trifft …: Der Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, Dr. Philip Seifert

In unserer Rubrik „Denkmalschutz in Deutschland" sprechen wir mit herausragenden Persönlichkeiten des deutschen Denkmalschutzes. Diese Gespräche bieten Einblicke in die Arbeit, die gegenwärtige Situation in den verschiedenen Bundesländern und die bedeutendsten Herausforderungen. In dieser Ausgabe sprechen wir mit Dr. Philip Seifert, Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein. Bauen im Bestand – das sollte trotz aller Debatten über klimafreundliche Neubauten nicht vernachlässigt werden, betont Dr. Seifert. Statt als „Verhinderer“ zu gelten, will er den gesellschaftlichen Wert der Denkmalpflege wieder stärker in den Fokus rücken.

Wie ist die gegenwärtige Situation der Denkmallandschaft in Schleswig-Holstein? Welche Herausforderungen beschäftigen Sie hier aktuell besonders?

Dr. Philip Seifert: Wie wohl in den meisten Ländern stellt auch in Schleswig-Holstein der Umgang mit der Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien aktuell eine große Herausforderung dar. Das gilt derzeit noch weniger für den Bereich von Solaranlagen und deren Auswirkungen auf Substanz und Erscheinungsbild unserer Kulturdenkmale und Denkmalbereiche als vielmehr für die Windkraft. In diesem Segment nahm Schleswig-Holstein schon vor Beginn der Energiekrise eine Vorreiterrolle ein, ohne allerdings die Belange der Denkmalpflege zu negieren. Die Geltendmachung und Durchsetzung unserer Belange wird durch neue rechtliche Regelungen jedoch zunehmend erschwert, so dass der bereits begonnene (Kultur)Landschaftsumbau – auch im Hinblick auf Freiflächenphotovoltaikanlagen – rasch Fahrt aufnehmen dürfte. Und gerade in Schleswig-Holstein sind historische Kulturlandschaften sowie Landschaftsteile als Schutzgüter im Denkmalschutzgesetz verankert.

Ein zweiter Bereich, der mir Sorge bereitet, ist die nicht ausreichende flächendeckende Verfügbarkeit von in der Denkmalpflege erfahrenen Architektinnen und Architekten sowie Handwerkerinnen und Handwerkern. Dieses Phänomen droht über den allgemein wahrgenommenen Fachkräftemangel hinauszugehen. Uns nützt eine noch so gute wissenschaftliche Denkmalpflege nichts, wenn deren Erkenntnisse und denkmalfachliche Erfordernisse vor Ort an den Kulturdenkmalen nicht umgesetzt werden können. Es steht außer Frage, dass eine gute Denkmalpflege nur dann gelingen kann, wenn es zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Behörden und umsetzenden Praktikern kommt.

Die Energiewende bringt gerade auch im Hinblick auf den Baubereich viele Herausforderungen mit sich - wie balancieren Sie den Bedarf an moderner Nutzung von historischen Gebäuden mit der Notwendigkeit, deren historische Integrität zu bewahren?

Dr. Philip Seifert: In meiner Wahrnehmung gibt es im Land Schleswig-Holstein glücklicherweise viele Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer, die ihre Kulturdenkmale lieben und pflegen und daher häufig selbst nur behutsame energetische Maßnahmen wünschen und die Integrität ihrer Kulturdenkmale nicht gefährden wollen. Erforderlich ist hierfür eine gute Beratung, die in Schleswig-Holstein bereits durch die fachlich sehr gut qualifizierten Kolleginnen und Kollegen der Unteren Denkmalschutzbehörden erfolgt. Es ist eine Binsenweisheit, aber in wenigen Bereichen wie der energetischen Sanierung von Kulturdenkmalen zeigt es sich so deutlich, dass Denkmalpflege eine Aufgabe ist, bei der eine Einzelfallbetrachtung geboten ist, um eine gemeinsame individuelle, denkmalgerechte Lösung zu finden.

Welche historischen Stätten oder Gebäude in Schleswig-Holstein liegen Ihnen besonders am Herzen und warum?

Dr. Philip Seifert: Als Leiter der Landesdenkmalpflege schätzt, schützt und pflegt man selbstverständlich alle Denkmale in gleicher Weise. Als Privatperson mag ich besonders die vom Backstein geprägte Heimatschutzarchitektur, die gerade im nördlichen Landesteil noch zahlreich und unverbaut anzutreffen ist, weil sie – neben vielen historischen Hausformen und -typen aus früheren Jahrhunderten – ein neuzeitliches Alleinstellungsmerkmal für unsere Region darstellt. Mit dem Ziegel als Baustoff, der früher in Dutzenden Ziegeleien an der Flensburger Förde gebrannt wurde, verknüpfe ich regionale Identität und ein Stück Heimat.

In ihrer Laufbahn waren Sie unter anderem im Bundesministerium für Kultur und Medien tätig. - Wie wichtig ist die Öffentlichkeitsarbeit für den Denkmalschutz und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um das Bewusstsein dafür zu stärken?

Dr. Philip Seifert: Es ist dringend notwendig, Öffentlichkeitsarbeit als zentrale Aufgabe der Denkmalpflege zu begreifen und zu leben. Das Akzeptanzproblem der Denkmalpflege hat nach meinem Gefühl in den letzten Jahren zugenommen und wird in den Zeiten der Energiewende, angespannter Haushaltslagen und politischer Krisen einen weiteren Schub erfahren. Wir müssen daher dringend über den Wert aufklären, den die Denkmalpflege für die Gesellschaft besitzt. Wir müssen durch Öffentlichkeitsarbeit dafür sorgen, dass wir als Schlüssel zur Lösung einzelner Probleme wahrgenommen werden und nicht als „Verhinderer“. Das gilt vor allem für die Energiewende, weil nichts so nachhaltig ist wie die Denkmalpflege. Die für eine echte Nachhaltigkeit angestrebte Reparatur- und Kreislaufwirtschaft ist die DNA der Denkmalpflege. Die Erhaltung der in den Bauwerken gespeicherten grauen Energie ist ein weiteres Markenzeichen. So sehr man sich derzeit auf den energieeffizienten Neubau politisch fokussiert, bei jedem Abriss und Neubau werden zunächst einmal enorme Mengen CO₂ emittiert, die erst irgendwann in einem über Jahrzehnte dauernden Betrieb und somit in ferner Zukunft wieder amortisiert werden. Hier bilden Kulturdenkmale eine Chance (und einen Gegenpol). Das gilt auch für die Schaffung von Identität in einer globalisierten Welt und damit einem ganz anderen politischen Feld. Dankenswerterweise erhält das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein eine Stelle für Öffentlichkeitsarbeit, mit der wir diese Themen – vor allem auch im Hinblick auf die jüngere Generation – platzieren wollen.

Worauf freuen Sie sich mit Blick auf die denkmal 2024 ganz besonders?

Dr. Philip Seifert: Die „denkmal“ in Leipzig ist alle zwei Jahre ein fester Programmpunkt in meinem Kalender – so auch in diesem Jahr. Es ist gerade die Vielfalt der Messe, die ihren Wert für mich ausmacht. Da sind auf der einen Seite die Fachforen und Diskussionsrunden und auf der anderen Seite neue Produkte, über die ich mich informieren möchte. Dabei ergeben sich in der Regel interessante Gespräche mit Herstellerinnen und Herstellern, Kolleginnen und Kollegen und anderen Besucherinnen und Besuchern. Da ist kein Element, was ich missen oder besonders hervorheben möchte.

Quelle Foto: Dr. Philip Seifert
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