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17.03.2022 denkmal

Prof. Dr. Ulrike Plate: „Der Druck auf die alten Häuser wächst, maximale Rendite abzuwerfen“

In unserer Rubrik „Denkmalschutz in Deutschland“ sprechen wir mit den deutschen Landeskonservatorinnen und Landeskonservatoren über ihre Arbeit, die aktuelle Situation in ihren Bundesländern und die größten Herausforderungen. Für diese Ausgabe haben wir mit Prof. Dr. Ulrike Plate gesprochen, Referatsleiterin Bau- und Kunstdenkmalpflege im Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg. Die Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg feiert in diesem Jahr das 50jährige Bestehen des Denkmalschutzgesetzes – ein tolles Jubiläum, zu dem wir hiermit ganz herzlich gratulieren.

Redaktion: Wie würden Sie Ihre Arbeit deren Bedeutung einem Außenstehenden erklären?

Prof. Dr. Ulrike Plate: Denkmalpflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, fast jeder wirkt in irgendeiner Weise daran mit, unser kulturelles Erbe insgesamt, aber eben auch in Form von Kulturdenkmalen zu erhalten. Sei es als Besucher von kulturellen Stätten, im Handwerk oder als Architektin oder Architekt. Die Erhaltungsverantwortung liegt jedoch beim Denkmaleigentümer, neben Privatpersonen sind das natürlich insbesondere die Kirchen und die Kommunen. Und die Länder.

In vielen Ländern hat Denkmalschutz Verfassungsrang und alle Länder haben Gesetze, in denen der Schutz und der Erhalt von Kulturdenkmalen verankert ist. Als Landesamt für Denkmalpflege sind wir hier in Baden-Württemberg diejenigen, die unser Staat damit beauftragt hat, diesem Verfassungsauftrag gerecht zu werden. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen sehen wir es als unsere Hauptaufgabe an, unsere Kompetenzen Denkmaleigentümern zur Verfügung zu stellen und sie hinsichtlich Erhalt und Zukunftsfähigkeit ihres Denkmals zu beraten. Meine Aufgabe in dem Ganzen ist es, möglichst gute Rahmenbedingungen für diese Arbeit zu schaffen und für die Sinnhaftigkeit unseres Tuns in Öffentlichkeit und Politik zu werben.

Redaktion: Wie ist die aktuelle Situation der Denkmale in Baden-Württemberg und was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Prof. Dr. Ulrike Plate: Insgesamt haben wir in Baden-Württemberg gute Rahmenbedingungen für Kulturdenkmale. Aber die allgemeinen Probleme wie Leerstand in ländlichen Regionen oder die Schwierigkeiten, mit denen die Kirchen zu kämpfen haben, kennen wir natürlich genauso. Auf der anderen Seite explodieren die Immobilien- und Baupreise in den prosperierenden Regionen – der Druck auf die alten Häuser wächst, maximale Rendite abzuwerfen. Dabei fehlt es oft an der Bereitschaft, sich auf die Individualität der Gebäude hinsichtlich Nutzungsumfang, aber auch hinsichtlich Nutzungsart einzulassen. Hier wäre eine intensive Begleitung der Denkmaleigentümer notwendig, dafür haben wir jedoch kaum Kapazitäten.

Seit Anfang 2020 sind wir in der Bau- und Kunstdenkmalpflege dabei, Lösungen für dieses Problem zu entwickeln. Wie kann es gelingen, trotz des deutlich knapp bemessenen Personalkörpers die Denkmaleigentümer insbesondere dann intensiv zu begleiten, wenn der spezifische wissenschaftliche Sachverstand unserer Referentinnen und Referenten gefragt ist. Das ist eine sehr große Herausforderung und kann nicht ohne eine enge Einbindung aller anderen Player erfolgen. Und natürlich können wir nicht alle Erwartungen, insbesondere der Denkmaleigentümer, erfüllen – aber die personellen Voraussetzungen lassen keine Spielräume.

Mit einem extremen Personalnotstand hat die Denkmalpflege in fast allen Bereichen zu kämpfen. Egal ob im Handwerk, bei Planern und Ingenieuren, oder eben in den Behörden, bei uns und in den Bau- und Denkmalschutzbehörden – überall fehlt es an Nachwuchs. Das liegt einerseits an fehlenden Stellen – insbesondere in den Behörden, es fehlt aber auch an Qualifikationen, an der Ausbildung im Umgang mit historischem Bestand und am Interesse, sich damit zu beschäftigen. Hinzu kommt, dass es beim konkreten Bauen schwieriger geworden ist, pragmatische Lösungen zu finden, denn alles ist zwischenzeitlich geregelt und normiert, bspw. bei Themen wie Brand- oder Arbeitsschutz, – leider orientiert am Neubau, nicht am Bestand.

Redaktion: Was war bisher die größte Herausforderung, die Sie mit Blick auf die Denkmallandschaft beschäftigt hat, und auf welchen Projekten liegt derzeit Ihr Hauptaugenmerk?

Prof. Dr. Ulrike Plate: Eine der größten Herausforderungen sehe ich aktuell darin, dem großen Mehrwert, den Kulturdenkmale und Denkmalpflege zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Umwelt- und Klimapolitik beizutragen haben, in den hitzigen Debatten über Klimaschutz eine angemessene Wahrnehmung und Respekt zu verschaffen.

Redaktion: Wenn Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Prof. Dr. Ulrike Plate: Dass wir unsere Innenstädte wieder als Lebensräume zurückerobern, dass Kirchen und Gasthöfe soziale Treffpunkte sind und wir gerne in den historischen Gebäuden leben, die soviel Lebensgeschichte an uns weitergeben können. Dass wir unsere historische Kulturlandschaft insgesamt als kostbares Gut erkennen und wertschätzen und nicht nur als Ressource betrachten.

Foto: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg
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