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18.08.2022 denkmal

Rigaer Fachschule für Kunst und Medien: Kirchenretter in Ausbildung

Ganz besondere und modern gedachte Denkmalarbeit erfreut sich in Lettland wachsender Beliebtheit. In großen Projekten hauchen Gruppen von Schülern alten und teils zerstörten Kirchen ganz neues Leben ein. Das Konzept der Rigaer Fachschule für Kunst und Medien geht auf und zieht immer weitere Kreise. Auf der denkmal 2022 präsentiert die Schule wahre Meisterstücke.

Wenn Ojars Sparitis über die Kirchen-Sanierungsprojekte der ehemaligen Handwerksschule zu Riga (heute Fachschule für Kunst und Medien) spricht, sprudelt er förmlich vor Begeisterung. Voller Stolz präsentiert der Professor der Lettischen Kunstakademie Kronleuchter, Sitzbänke, Altare und Skulpturen, die in feinster Handarbeit gefertigt und in alten Kirchen platziert worden sind. Die Ornamente und Möbelstücke vermitteln den Eindruck jahrzehntelanger Expertise – dabei sind sie das Werk junger Schüler. Während ihrer Ausbildung in der Fachschule, lernen die angehenden Handwerker, was es heißt, eigenverantwortlich und großdimensional zu arbeiten. Die Schule wird seit 1997 von lettischen Gemeinden beauftragt, Innenräume von Kirchen und Kapellen zu sanieren oder komplett neu zu gestalten. Ojars Sparitis steht dabei als Berater und Kritiker zur Seite. Er bewertet als Experte die Baupläne der Schüler, die schon früh im Schuljahr fertiggestellt sein müssen, denn viel Zeit gibt es nicht.

Zu Beginn des Schuljahres im September wählt die Schule ihre Projekte aus – mal ist es nur eine Kirche im Jahr, mal sind es mehrere Groß- und Kleinprojekte parallel. Dank des hervorragenden Rufs kann die Schule ihre Projekte inzwischen frei aussuchen. Im Oktober planen die Abschlussjahrgänge dann die neue Inneneinrichtung und ermitteln eigenständig den Bedarf an Hilfskräften. Diese kommen ausschließlich aus der Schülerschaft ab der neunten Klasse. Jüngere Schüler sind für einfache Tischlerarbeiten eingeplant, während ältere Jahrgänge für aufwendige Konstruktionen, Skulpturen und die Planung zuständig sind. Je nach Bedarf arbeiten 10 bis 15, bei größeren Ensembles auch mal bis zu 30 Schüler an der Umsetzung. Während des Schuljahres wird in Riga alles zusammengebaut und vorbereitet. Das Material liefert die Gemeinde, deren Kirche saniert wird. Dafür hat die Schule inzwischen ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern im ganzen Land aufgebaut.

Kurz vor Schuljahresende im Sommer wird es dann ernst. Transporter werden mit den fertigen Einzelteilen vollgepackt, die Schüler ziehen für einige Tage auf die Baustelle. Für die betreffenden Gemeinden bedeutet das auch, moralische Unterstützung zu bieten. So etwa passiert im Örtchen Ihlen, südwestlich der Hauptstadt Riga. Nachdem die dortige Kirche mehrfach zerstört und wiederaufgebaut worden ist, stand sie nach dem zweiten Weltkrieg als Ruine da und wurde von den Sowjets jahrelang als Lager genutzt. Ein Chorleiter entdeckte das Bauwerk 2020 und nahm sich vor, das Bauwerk wiederzubeleben.

Durch Ojars Sparitis gelang der Kontakt zur Fachschule. Als sich die Schüler im Sommer an die Montage machten, versorgten die Anwohner in Ihlen die jungen Leute mit Suppe und guter Laune. Nach einer anstrengenden Woche präsentierten die Schüler schließlich ihre Werke. Massive und funktionale Holzbänke, prunkvolle Kronleuchter, ein massiver Altar mit drei Stufen darunter für die Chorsänger sowie eine aus Beton gefertigte Christusskulptur, die so schwer ist, dass ein Kran, sie an ihren Platz hieven muss. Das soll noch in diesem Jahr passieren, wenn das Dach erneuert wird – an der Finanzierung wird bereits gearbeitet.

Was für einige Schüler aus Riga die Abschlussarbeit für ihr Abitur war, ist für Sparitis ein weiterer Beweis für die hervorragende handwerkliche Ausbildung der Fachschule, die auch in Deutschland gut ankäme – da ist sich der Professor sicher. Er träumt von einem Austauschprogramm mit deutschen Fachschulen und sieht die denkmal in Leipzig als ideale Gelegenheit, wichtige Kontakte zu knüpfen. Als Aussteller wird die ehemalige Handwerksschule dort ihr ganzes Spektrum abbilden, das unter anderem auch Foto, Video, Animation, Textildesign oder Metallbearbeitung umfasst. Neben meisterhaften Möbeln wird die Schule eine gewaltige Standuhr mit hölzernen Zahnrädern und transparentem Ziffernblatt ausstellen. Die europäische Leitmesse soll laut Sparitis aber noch viel mehr bewirken. Angesichts der aktuellen politischen Lage sieht der Kunsthistoriker eine größere Allianzfähigkeit in Europa. Diese Gemeinschaftskraft kann neue Energien freisetzen – und um diese zu bündeln, dafür braucht es Messen wie die denkmal, so Sparitis.

© Ojars Sparitis
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